#PORTRÄT #SVETLANA MOSHKOVICH #PARALYMPICS #HANDBIKE
Die ganze Welt schaut zu
Wenn sie durch den Wald, die umliegenden Felder und die endlosen Radwege fährt, geht es Svetlana Moshkovich gut, womöglich mehr als nur gut. Denn in ihrem Handbike empfindet die Leistungssportlerin ein komplettes Glücksgefühl. „Einfach zum Genießen, der Spaß und diese Freiheit, diesen Wind in den Haaren und im Gesicht spüren“, antwortet Svetlana Moshkovich, wenn man sie fragt, was für sie das Radfahren bedeutet.
Ein Gefühl, das sie antreibt, ständig nach vorne blicken und die teilweise schwierige Vergangenheit hinter sich lassen lässt. Denn die heute 41-Jährige war nicht immer begeisterte Radsportlerin. Ganz im Gegenteil. Lange Zeit hat der Sport gar keine Rolle in ihrem Leben gespielt, Svetlana’s Herz schlug für Sprachen und andere Kulturen. Vor allem der Kontakt mit anderen Menschen bereitete ihr große Freude, dem sie im Beruf der Flugbegleiterin und in ihrem Fremdsprachenstudium nachgehen konnte. In ihrem letzten Studienjahr kam es dann zum tragischen Unfall: Sie war in einen Autounfall verwickelt, der das Leben der jungen Studentin und deren Freund für immer veränderte. „Ich lag im Krankenhaus mit schweren Verletzungen, mit kaputten Becken, mit kaputten Rücken und jede Bewegung tat weh“, erinnert sich Moshkovich zurück. Svetlana hat überlebt, doch seit dem Unfall ist sie querschnittsgelähmt. Für ihren Freund kam jede Hilfe zu spät. „Gerade in dieser Zeit, in der ich wusste, dass mein Freund beerdigt wird – das war eine richtig schwarze Zeit“, sagt Moshkovich, denn sie lag im Krankenhaus und kämpfte mit ihren schweren Verletzungen.
Zeit für eine Wende
Zu diesem Zeitpunkt gab es für die Sportlerin nur zwei Optionen: Entweder sie weint bis sie an der Trauer zerbricht oder sie kämpft um ihr Leben. Sie entschied sich für letzteres. „Das schulde ich mir selbst, das schulde ich meiner Familie. Vor allem sind sie diejenigen, die sich besonders Sorgen um mich machen und mir sehr viel Kraft geben.“ Die Genesung war ein langwieriger Weg. Doch schon früh zeigte sich eine ehrgeizige Seite, die Svetlana im Laufe ihrer Karriere noch zu zahlreichen Erfolgen führen sollte. Immer wieder musste sie operiert werden. Vom Leistungssport war die damals 21-Jährige weit entfernt: Jede kleine Bewegung kostete enorm viel Kraft. Aufgeben stand jedoch nie im Raum. Im Krankenhaus in Sibirien schloss sie ihre Abschlussprüfung des Studiums erfolgreich ab und stellte sich tagtäglich dem zu dieser Zeit noch besonders herausfordernden Alltag im Rollstuhl. Von Barrierefreiheit konnte in Sibirien nicht die Rede sein, beruflich war sie nun eingeschränkt und musste den Job als Flugbegleiterin aufgeben.
Einfach zum Genießen, der Spaß und diese Freiheit.
Eine Wohltätigkeitsstiftung ermöglichte ihr 2007 eine erneute OP, dieses Mal aber in Deutschland. „Ich war in einem Aktivhotel, das speziell für Menschen mit Querschnittslähmung viele Programme hatte“, erzählt Moshkovich. Zeitgleich trainierte das „Ottobock Handbike Team“ vor Ort – ein glücklicher Zufall, wie sich herausstellte. Denn zwischen dem Team und Svetlana war es wie Liebe auf den ersten Blick. Gemeinsam gingen sie auf erste, kurze Radtouren. Mithalten konnte die Neosportlerin zu schwer: fehlende Fitness, fehlende Armmuskulatur und auch das Handbike war noch ungewohnt. Die Lebensfreude, die das Team ausstrahlte, steckte Moshkovich allerdings an und schon hatte sie das Radfieber gepackt. Tage an denen sie seitdem nicht im Handbike sitzt, sind selten. An Gedanken mit dem Sport aufzuhören, verschwendet sie keine Zeit. „Von Anfang an war es ein komplettes Glücksgefühl. Unterwegs mit diesen lustigen Typen hat richtig gutgetan.“
© Cinzia Costanzo
Das Feuer war entfacht und das Interesse, sich mit anderen zu messen war geweckt. Bereits nach wenigen Trainings und Ausfahrten stand der erste Marathon-Bewerb am Programm. Doch der Handbike-Sport ist schließlich kostenintensiv und so, machte die Not erfinderisch: Das eigene Rad wurde für Svetlana vom Ottobock Handbike Team in der Garage zusammengeschweißt, den rosa Helm lieh sie von der Tochter eines Kollegen aus. Von herausfordernden Situationen lässt sie sich nicht unterkriegen und halbe Sachen gibt es bei Svetlana erst recht nicht. Sie wollte mehr: Zwei Jahre später stand sie erneut am Start desselben Marathons. Der Unterschied? Dieses Mal war sie gleich eine Stunde schneller. „Da war ich so motiviert zu trainieren, um zu schauen was ich verbessern kann. Dann gab es keinen Weg zurück und ich wollte weiterfahren.“ Es folgten angepasste Trainingspläne, besseres Material und mit Ralf Linschulten, ein Trainer, mit dem sie bis heute eng zusammenarbeitet und am Material tüftelt.
Mittlerweile zählt die Athletin zu den besten im Handbike. 2023 gewann sie den Straßenweltcup, bei den Paralympics in London 2012 fuhr sie im Einzelzeitfahren zu Bronze, bei der Europameisterschaft 2021 gelang ihr ebenfalls die Bronzemedaille – um nur um ein paar ihrer Erfolge zu nennen. Gerechnet habe sie damit jedoch nie, weshalb sie trotz der zahlreichen Erfolge, stets am Boden bleibt. Der Profisport war ein Fremdwort, lange Zeit etwas nicht Greifbares für Svetlana. „Ich habe die Jungs vom Ottobock Team wie Helden angeschaut. Da war ein Athlet, der von den Paralympics aus Peking zurückkam und erzählte, wie es war. Das war für mich komplett surreal“, sagt Moshkovich.
Dann gab es keinen Weg zurück und ich wollte weiterfahren.
© Svetlana Moshkovich/privat
Dann gab es keinen Weg zurück und ich wollte weiterfahren.
© Svetlana Moshkovich/privat
Inzwischen ist der Profisport Svetlana’s täglich Brot und bei den Paralympics ist sie Routinier, sind es für die Wahl-Tirolerin doch schon die dritten Spiele, bei denen sie an den Start geht. Als Leistungssportlerin ordnet sie dem Sport seit Jahren alles unter. Von früh bis spät geben Handbiken, Kraftsport oder der richtige Zeitpunkt der Regeneration den Ton für die Tagesplanung vor. Das Ziel? Den Traum einer Medaille erfüllen. Doch auch das Dabeisein und die Atmosphäre vor Ort sind ein Erlebnis für sich und definitiv Belohnung für viele Jahre harte Arbeit. „Ich will auch einfach mal genießen“.
Streben die Beste zu sein
Svetlana ist ein Multitalent, Neugierde und der Drang den eigenen Horizont zu erweitern, sorgen stets für straffes Programm und neue Projekte. Neben ihrer Sportkarriere, unterrichtet sie an der Universität Innsbruck einen Inklusionskurs und schließt zeitgleich ihr Zweitstudium – Sportwissenschaften – ab. Zeit zum Verschnaufen bleibt dabei kaum. Im Herbst startet die Vorbereitung für das nächste Großevent – nicht etwa die Paralympics oder Weltmeisterschaften, sondern im Februar 2025 steht ein Weltrekordversuch an. So hat sie es sich zum Ziel gesetzt einen Weltrekord für Frauen im Bahnfahren aufzustellen und in einer Stunde möglichst viele Kilometer auf einer Radrennbahn zurückzulegen. Bei den Männern liegt der aktuelle Rekord bei 47,8 Kilometer, Svetlana will als erste Frau überhaupt 38 Kilometer erreichen. Eine Athletin mit willensstarkem Charakter und klarem Ziel vor Augen.
Es wird aber eine große Quälerei.
Einfach wird das auf keinen Fall. Zwar herrschen am Velodrome anders als auf der Straße fixe Bedingungen, allerdings befindet man sich aufgrund der Bahnwände durchgehend in einer Schräglage. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Trainer arbeitet sie bereits an einem Konzept, wie ihr Körper umgestellt werden muss, damit sie die Stunde so schnell wie möglich absolvieren kann. „Ich bin einfach neugierig, was man in einer Stunde schaffen kann. Diese Ausdauerbelastung liegt mir schon, es wird aber eine große Quälerei“, sagt Svetlana und schmunzelt. Es ist der Reiz des Unbekannten, der sie antreibt, und die Möglichkeit die eigenen Grenzen zu verschieben. „Es ist schon faszinierend, was man mit Armkraft alles erreichen kann.“ Doch sie hat auch abseits des Sports eine klare Vision für das Projekt: ein Zeichen für Frauen im Sport setzen. Durch das Aufstellen nie dagewesener Rekorde möchte sie Stärke zeigen, sichtbar sein für Frauen und Paraathlet*innen, präsent sein für die gesamte Gesellschaft.
Gefahren werden soll in der Schweiz, dort wurden bereits einige Rekorde aufgestellt. Österreich fällt aufgrund der fehlenden geschlossenen Bahn als Austragungsort weg.
Es wird aber eine große Quälerei.
Einfach wird das auf keinen Fall. Zwar herrschen am Velodrome anders als auf der Straße fixe Bedingungen, allerdings befindet man sich aufgrund der Bahnwände durchgehend in einer Schräglage. Gemeinsam mit ihrem langjährigen Trainer arbeitet sie bereits an einem Konzept, wie ihr Körper umgestellt werden muss, damit sie die Stunde so schnell wie möglich absolvieren kann. „Ich bin einfach neugierig, was man in einer Stunde schaffen kann. Diese Ausdauerbelastung liegt mir schon, es wird aber eine große Quälerei“, sagt Svetlana und schmunzelt. Es ist der Reiz des Unbekannten, der sie antreibt, und die Möglichkeit die eigenen Grenzen zu verschieben. „Es ist schon faszinierend, was man mit Armkraft alles erreichen kann.“ Doch sie hat auch abseits des Sports eine klare Vision für das Projekt: ein Zeichen für Frauen im Sport setzen. Durch das Aufstellen nie dagewesener Rekorde möchte sie Stärke zeigen, sichtbar sein für Frauen und Paraathlet*innen, präsent sein für die gesamte Gesellschaft.
Gefahren werden soll in der Schweiz, dort wurden bereits einige Rekorde aufgestellt. Österreich fällt aufgrund der fehlenden geschlossenen Bahn als Austragungsort weg.
Zur potentiellen Hürde wird jedoch die Finanzierung. Die Anmietung des Velodromes koste rund 10.000 Euro, hinzukommen Kosten für die Trainer, An- und Abreise und Verpflegung. „Zuerst habe ich mir das alles viel leichter und billiger vorgestellt. Aber wenn ich das richtig machen will und ich bin eine ehrgeizige Person, dann muss es etwas Solides sein.“. Auch wenn es bereits einige Zusagen an Unterstützung gibt, laufe vor allem die Sponsorensuche weiter, um ihren Traum zu verwirklichen. So spielt auch die Zusammenarbeit mit leMOVE sportmanagement im Hinblick auf die Professionalisierung eine Rolle. Das Vorhandensein von Sponsoren im Sport ist essenziell, um derartige Projekte und auch die Sportkarriere an sich gut meistern zu können. Ein Partner der ersten Stunde, ist beispielsweise Hollister, mit dem Svetlana ihren ersten Partner in Österreich gefunden hat. Vor allem die Zuverlässigkeit der Produkte, die für Menschen mit Behinderung von enormer Wichtigkeit sind, schätzt Svetlana sehr. Wenn sie an die Anfänge zurückdenkt, ist es auch das Vertrauen, das ihr geschenkt wurde, was die solide Basis der Zusammenarbeit ausmacht. „Ich freue mich riesig, dass sie Vertrauen in mich hatten und mich in meiner sportlichen Karriere unterstützen.“
Film ab
Doch nicht nur die Vermittlung von Kooperationen mit finanzieller Gegenleistung oder Ausstattung, sondern auch jene für andere Dienstleistungen werden von leMOVE übernommen, um Svetlana in ihrer Karriere bestmöglich voranzubringen. So sind seit Kurzem beispielsweise auch zwei Jungs – genauer gesagt das Duo von Off-Grid Pictures Wien – immer an Svetlana‘s Seite. Denn ein Filmprojekt soll für mehr Aufmerksamkeit sorgen, Svetlana’s Geschichte ins Rampenlicht rücken und dem Parasport an sich eine große Bühne geben.
© GEPA Pictures/ÖPC
Schon länger waren sie auf der Suche nach einer spannenden Persönlichkeit für ein Filmprojekt. Svetlana Moshkovich, ihre sportliche Reise zu den Paralympics und der Weltrekordversuch begeisterten die zwei Filmemacher, man verstand sich auf Anhieb. „Da steckt so viel mehr dahinter, als man mitkriegt. Wenn ich sehe, wenn sie mich zwei Stunden lang mit der zwölf Kilo schweren Kamera aus dem Auto filmen, in Kurven schnell reagieren oder für das beste Bild auf Bäume klettern, das fasziniert mich.“ Mittlerweile sind sie zusammengewachsen, über 20 gemeinsame Drehtage sind bereits absolviert, bei den Paralympics in Paris sind sie freilich mit von der Partie. Gezeigt werden soll das fertige Projekt bei Filmfestivals und in Programmkinos. „Sie wollen wirklich etwas Großes. Sie wollen einen Film über mein Leben, meinen Alltag und meine Vorbereitung auf die Paralympics drehen.“ Eine Bühne, die der Parasport mehr als nur verdient. Denn auch wenn die Sichtbarkeit der Para-Athletinnen und -Athleten steigt, fehle es immer noch an Anerkennung. „Jetzt sind die Paralympics in Europa, viele Sender haben Übertragungsrechte bekommen und werden über uns berichten. Jetzt ist es unsere große Bühne. Die ganze Welt schaut zu.“
Schon länger waren sie auf der Suche nach einer spannenden Persönlichkeit für ein Filmprojekt. Svetlana Moshkovich, ihre sportliche Reise zu den Paralympics und der Weltrekordversuch begeisterten die zwei Filmemacher, man verstand sich auf Anhieb. „Da steckt so viel mehr dahinter, als man mitkriegt. Wenn ich sehe, wenn sie mich zwei Stunden lang mit der zwölf Kilo schweren Kamera aus dem Auto filmen, in Kurven schnell reagieren oder für das beste Bild auf Bäume klettern, das fasziniert mich.“ Mittlerweile sind sie zusammengewachsen, über 20 gemeinsame Drehtage sind bereits absolviert, bei den Paralympics in Paris sind sie freilich mit von der Partie. Gezeigt werden soll das fertige Projekt bei Filmfestivals und in Programmkinos. „Sie wollen wirklich etwas Großes. Sie wollen einen Film über mein Leben, meinen Alltag und meine Vorbereitung auf die Paralympics drehen.“ Eine Bühne, die der Parasport mehr als nur verdient. Denn auch wenn die Sichtbarkeit der Para-Athletinnen und -Athleten steigt, fehle es immer noch an Anerkennung. „Jetzt sind die Paralympics in Europa, viele Sender haben Übertragungsrechte bekommen und werden über uns berichten. Jetzt ist es unsere große Bühne. Die ganze Welt schaut zu.“
© GEPA Pictures/ÖPC
Jetzt ist es unsere große Bühne.
Und die ganze Welt schaut zu.
– verfasst von Laura Rieger