Ein Porträt über Miriam Weis

#Porträt #Miriam Weis #Weltcup #Olympische Winterspiele #Snowboard

Mit Ruhe zum Erfolg

Die Lifte starten, die Pisten sind frisch präpariert. Das Gletscher­skigebiet rund um Zermatt ist nicht nur ganzjährig geöffnet, sondern ist auf über 3.800 Meter Seehöhe auch das höchst­gelegenste Sommer­skigebiet Europas. Dort, wo also der Schnee selbst im Sommer nie ganz schmilzt und die Lifte schon früh­morgens laufen, beginnt für die Snowboarderin Miriam Weis der Arbeits­tag in der Saison­vorbereitung:

Wenn sie darüber spricht, wirkt sie ruhig und entschlossen. Vielleicht, weil sie genau da ist, wo sie immer hinwollte.

„Bei mir hat die Vorbereitung Ende August angefangen, zwischen­durch gibt es hin und wieder Trainings­pausen. Aber sobald der Saison­start näher rückt, geht es eigentlich jede Woche auf Trainings­lager oder eben auch auf Rennen.“ Wenn sie nicht auf Schnee trainiert, dann steht je nach Saison­zeitpunkt im Olympia­zentrum Klagenfurt Ausdauer- und Kraft­training am Programm.

Klingt anstrengend, ist es auch. Aber wenn sie darüber spricht, wirkt sie ruhig und entschlossen. Vielleicht, weil sie genau da ist, wo sie immer hinwollte. Denn für die 23-Jährige beginnt jetzt eine ganz besondere Saison: ihre erste im Weltcup. Im vergangenen Jahr fuhr die gebürtige Nieder­österreicherin noch im Europacup: fünf Mal fuhr sie aufs Stockerl, gleich zwei Mal stand sie ganz oben. Jetzt ist sie eben Teil des öster­reichischen A-Kaders. Dabei geht sie in den zwei Disziplinen Parallel-Slalom und Parallel-Riesen­slalom an den Start. „Das war ein Riesen­ziel für mich“, sagt sie. Los geht es bereits Anfang Dezember mit dem Auftaktrennen in China, weitere Renn­stopps folgen in Italien und der Schweiz.

© Frank Schneider

Ganz neu ist die Bühne für Miriam Weis aller­dings nicht. In den vergangenen Jahren ist sie bereits bei einzelnen Weltcup-Rennen gestartet, etwa im polnischen Krynica, bei dem sie den 27. Platz belegte. Erste Erfahrung hat sie bereits gesammelt und die Abläufe kennen­gelernt. Neu ist jedoch, dass sie nun fix im A-Kader steht – mitten im Weltcup-Geschehen, das deutlich profes­sioneller abläuft. Das reicht von der Organisation bis hin zur Schnee­kontrolle. Auch abseits der Piste hat sich für sie vieles verändert. „Im Europacup war es noch so, dass sich die Trainer auch am Nachmittag noch mehr um dich gekümmert und das Athletik­training übernommen haben. Das ist jetzt komplett selbst­ständig. Was ich auch verstehe, wir sind alt genug“, sagt sie schmunzelnd. Die Umstellung war groß, aber die Athletin hat sich schnell eingefunden. Dass das so reibungslos ablief, hängte vor allem auch mit dem Miteinander im Team zusammen. „Wir verstehen uns alle richtig gut, das hilft enorm. Denn wir sind nicht nur Team­kolleginnen, sondern auch Freundinnen.“ Das gibt Stabilität und Vertrauen im turbulenten Wettbewerbs­geschehen.

Liebe auf den zweiten Blick

Sie weiß, wofür sie das alles macht. Gezweifelt an ihrer Entscheidung hat sie ohnehin nie. Denn für Miriam Weis ist Snowboarden mehr als nur ein Hobby. „Snowboarden bedeutet für mich einfach Freiheit. Dieses Gefühl von Geschwindig­keit, das ist einfach cool“, sagt die 23-Jährige. Doch anfänglich war sie ganz und gar kein Fan von Geschwindig­keit – etwas, das im Renn­sport unabding­bar ist. Nur so werden Rennen gewonnen. „Ich hab mein Brett immer quer gestellt, um zu bremsen“, erzählt sie lachend. Vor allem flache Hänge, wie jener auf der Simon­höhe, hätten ihr in der Vergangen­­heit Probleme bereitet. Ihre Trainerinnen und Trainer ergriffen radikalere Methoden, um ihr die Angst zu nehmen. „Meine Trainer haben gesagt: Du fährst jetzt Schuss runter – und du bremst nicht. Ich ging an die Sache doch recht skeptisch ran, weil das nur geht, wenn man auch weiß, wie man wirklich bremst. Sonst wird’s schwierig.“ Doch es hat schließlich funktioniert. Mit Erfolg. Am 25. Jänner 2025 gewann sie den Riesen­­slalom-Europacup auf der Simon­­höhe – ihre einstige Angst­­strecke.

© Frank Schneider

Ein Vorbild in der eigenen Familie

Begonnen hat alles früh und zwar nicht auf einem Brett, sondern auf zwei. Mit drei Jahren stand Miriam zum ersten Mal auf Skiern. Mit acht durfte sie endlich aufs Snowboard – nachdem ihre Eltern überzeugt waren, dass sie sicher genug auf zwei Brettern unterwegs war. Doch es war alles nur eine Frage der Zeit. „Mein Bruder war mein großes Vorbild. Er ist 14 Jahre älter, war schon Snowboarder, als ich klein war. Ich wollte einfach das machen, was er gemacht hat.“ Heute ist er Chef­trainer – allerdings beim Schweizer Team. „Er trennt das ganz klar. Er will nicht, dass jemand sagt, er würde mir helfen. Privat verstehen wir uns super.“

Heute ist sie fixer Bestandteil des ÖSV-Kaders – jung, aber längst keine Newcomerin mehr.

Der Weg war also schon fast vor­programmiert: anfangs in die Ski-Hauptschule nach Lilien­feld, später in die Skihandels­schule nach Schladming nur noch der logische Schritt. Ab da ging alles seinen Lauf: Landes­cups, Schüler­meisterschaften, unzählige Rennen im In- und Ausland. „Mein Papa ist überall mit mir hin­gefahren. Deutsch­land, Italien, Öster­reich.“ 2019 folgte dann der Sprung in den Öster­reichischen Skiverband.

Seitdem hat sie sich Schritt für Schritt im Verband etabliert. Heute ist sie fixer Bestand­teil des ÖSV-Kaders – jung, aber längst keine Newcomerin mehr. Und als Heeres­sportlerin hat sie sich auch abseits der Piste eine stabile Basis geschaffen. Für sie ist es ein Privileg, ihre Leiden­schaft zu ihrem Beruf gemacht zu haben. Doch sie bleibt realistisch: Sie weiß, dass sie noch lange nicht ausge­sorgt hat. Macht nichts. Jammern will sie nicht.  Die Liebe zum Snowboard überwiegt und es liegt noch ein langer Weg vor ihr.

Im Team trainiert sie mit Athletinnen und Athleten, die oft doppelt so alt sind wie sie. „Wir haben eine 52-Jährige, einen 40-Jährigen und einige Anfang 30. Der Alters­durchschnitt liegt sicher bei 30, 32. Ich bin nicht die Jüngste, aber fast.“ Dass ihre Team­kolleginnen und Team­kollegen deutlich älter sind als sie, liegt laut Miriam Weis am Nachwuchs­problem im Snowboard und den weiterhin guten Resultaten der routinierten Sportler­innen und Sportler. Für Miriam Weis aber eine Chance: „Wir trainieren alle zusammen. Sie haben einfach eine gewisse Erfahrung und Ruhe, wo man sich schon was abschauen kann.“

© Frank Schneider

Nicht nur sportlich gewachsen

Eine innere Gelassen­heit und mentale Stärke zu spüren, passiert nicht auf Knopf­druck. „Vor zwei Jahren war ich am Anfang der Saison relativ stark. Gegen Ende der Saison habe ich mir einen Riesen­druck gemacht und war entsprechend schlechter. Das habe ich letztes Jahr anders gelöst. Und es hat funktioniert.“ Miriam arbeitet seit rund fünf Jahren einmal im Monat mit einer Mental­trainerin zusammen. Dabei steht aber nicht immer nur der Sport im Fokus. „Wir sprechen oft über private Sachen. Privates beein­flusst die Leistung stärker, als manche glauben.“

Mentale Arbeit passiert kontinuierlich. Das merkt sie im Start­haus. Während vor dem ersten Rennen noch die Hände zittern oder der Magen etwas flau vor Nervosität ist, zeigt sie spätestens vor dem zweiten Rennen bereits ein ganz anderes Gesicht. „Ich komme in so eine Routine, dass die Nervosität nicht mehr so ein Problem ist.“ Routine, Erfahrung und ein klarer Kopf geben ihr heute Stabilität.

Routine, Erfahrung und ein klarer Kopf geben ihr heute Stabilität.

Eine gewisse innerliche Ruhe, die sie in den kommenden Monaten braucht. Denn ihr nächstes Ziele ist klar: Eine Teilnahme an den Olympischen Spielen 2026 in Cortina. „Wir sind fünf Damen im Weltcup, aber nur vier dürfen hin. Zwei Plätze sind fix. Und dann sind wir zu dritt, die sich noch die anderen zwei Plätze ausfahren können. Das entscheidet sich während der Saison. Mein Ziel wäre es in Cortina zu starten.“

Doch für Miriam Weis ist Olympia nur ein Schritt von vielen. „Ich möchte auch 2030 noch snowboarden. Ein Highlight wäre auch die Heim-WM 2027 in Montafon. Ich will am Weltcup-Podium stehen, vielleicht auch mal eine Kugel gewinnen“, sagt sie mit einem Strahlen in den Augen. Ihre Karriere soll somit noch lange nicht vorüber sein.

© Miha Matavz/FIS
Um diese Ziele zu erreichen, setzt sie auf konstante Arbeit, klare Schwer­punkte und gezielte Entwicklung: „Ich möchte im Training auf jeden Fall mehr Fokus auf Riesen­slalom legen, weil das für die Olympischen Spiele noch meine größte Schwach­stelle ist.“ Gleich­zeitig geht es für sie darum, bei jedem Training und jedem Rennen ihr Bestes zu geben, bis sie an der Welt­spitze steht. Gelassen und ruhig.

An der Weltspitze. Gelassen und ruhig.

verfasst von Laura Rieger

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